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Presse-Mitteilungen und -spiegel

Artikel in der SÜDWEST PRESSE vom 28. Dezember 2007, S. 1



Thema des Tages

FERNSEHEN / Aleviten sehen sich durch "Tatort"-Krimi verunglimpft
Fiktion mit juristischen Konsequenzen

Der jüngste Tatort-Krimi hat ein juristisches Nachspiel. Die Aleviten wehren sich. Sie sehen sich durch den Beitrag "Wem Ehre gebührt" verunglimpft.

ELISABETH ZOLL

BERLIN Missbrauch und Inzest geschehen in jeder Gesellschaftsschicht und jedem Kulturkreis. Weder ist dieses Verbrechen armen Familien vorbehalten, noch ist der selbst ernannte aufgeklärte Westen frei davon. Die Berichte zeugen davon. Auch der jüngste ARD-"Tatort" "Wem Ehre gebührt" nahm sich nun des Themas an.

Es geht um ein abscheuliches Verbrechen: Eine junge Frau wird ermordet, weil sie zu einem Verbrechen in der Familie nicht mehr schweigen will. Die Schwester der Ermordeten wird missbraucht. Vom eigenen Vater wurde sie geschwängert. Als Ort des Geschehens wählte Drehbuchautorin Angelina Maccarone eine alevitische Familie - und bediente damit bewusst oder unbewusst ein Vorurteil, dem die religiöse Minderheit seit Jahrhunderten ausgesetzt ist.

Vor allem radikalen sunnitischen Muslimen ist die liberal-islamische Glaubensgemeinschaft, zu der sich in Deutschland rund 700 000 Türken bekennen, suspekt. Dass Frauen und Männer dort gemeinsam beten und feiern, brachte die relativ kleine islamische Gemeinschaft, die in Deutschland ein ganz unauffälliges Dasein führt, immer wieder unter Druck. Aleviten werden in vielen Ländern ausgegrenzt. Nach Angaben alevitischer Organisationen müssen sich die Gemeinden noch heute gegen die Unterstellung von Inzest wehren. Entsprechend aufgebracht sind nun die Reaktionen auf den Fernsehbeitrag.

Aleviten versuchten schon im Vorfeld die Ausstrahlung zu verhindern. Nun erstatteten einzelne Gemeinden Anzeige wegen Volksverhetzung. Sie fühlen sich verunglimpft. Die Berliner Polizei bestätigte Ermittlungen. Gegen wen sich das Verfahren richte, werde sich aber erst im Laufe der Ermittlungen zeigen. Auch in Köln kündigte die Glaubensgemeinschaft eine große Kundgebung an. Am Samstag wollen dort tausende Aleviten gegen den Fernsehbeitrag demonstrieren.

Bei der ARD gibt man sich zurückhaltend. NDR-Programmdirektor Volker Herres betont die Pressefreiheit. Zudem habe man im Vorspann bereits darauf hingewiesen, dass es sich um eine fiktive Geschichte handle.

Die Aleviten besänftigt das nicht.


Erscheinungsdatum: Freitag, 28.12.2007
Quelle: http://www.suedwest-aktiv.de/

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