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ULM und NEU-ULM vom 22. Februar 2010, S. 11


Heimat kommt aus dem Herzen

Was und wo ist Heimat? Das wollte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz im Club Orange von den Teilnehmern ihres Salongesprächs wissen. Jeder hatte so seine eigene Definition.

BEATE STORZ

Ulm. Heimat, Zuhause, Ursprung und Wurzeln - vertraute, aber vage Begriffe, die nicht eindeutig definiert sind. Um den Inhalt des Wortes Heimat ging es am Freitagabend im Club Orange der vh. Eine offene Diskussion mit rund 25 Besuchern und drei Podiumsgästen brachte zu Tage: Die meisten Ulmer mit Migrationshintergrund betrachten die Stadt Ulm als ihre definitive Heimat, obgleich viele auch in der "alten" Heimat verwurzelt sind.

Moderatorin Ekin Deligöz, selbst in der Türkei geboren, kam mit acht Jahren nach Deutschland. Seit 1998 sitzt sie für die Grünen im Bundestag. "Heimat ist für mich, wo meine Freunde und Familie sind und wo ich am Leben beteiligt bin."

Ähnlich sieht es Friedrich Pieper. Er wurde 1941 in Ostpreußen geboren und musste 1944 in den Westen fliehen. Seit 1972 lebt er in Ulm. "Heimatlos bin ich nicht. Das ist jemand, der keine Familie und keine Freunde hat. Für mich ist nicht der Ort Heimat, sondern die Menschen, mit denen ich zusammen bin." Laut Pieper kommt die Heimat aus dem Herzen. In seiner Geburtsstadt Königsberg war der Universitätsprofessor nie. Er könne es nicht leiden, wenn der Begriff Heimat von Politikern instrumentalisiert werde. Deshalb schrieb er einen offenen Brief an die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach. Dieses Schreiben wiederum brachte Ekin Deligöz auf die Idee zu einem Gesprächsabend.

Der Russe Michael Joukov ist seit 2004 für die Grünen im Ulmer Gemeinderat. Seit 1994 lebt er in Ulm. "Die Entscheidung haben meine Eltern getroffen. Sie wollten für mich und meine Schwester ein besseres Leben. Deshalb haben wir St. Petersburg verlassen." Joukov fühlt sich in Ulm zu Hause. Für ihn heißt Heimat, willkommen zu sein. Sie ist für ihn ein Ort, an dem man sich entspannen kann und nicht angegriffen wird. "Nur wenige Menschen verlassen freiwillig die Heimat. Die Menschen geben viel auf." Für Joukov war der Anfang in Deutschland schwierig: "Man wird beäugt, wenn man Deutsch mit Akzent spricht."

Auch Zuhörer äußerten sich zum Thema. SPD-Stadtrat Haydar Süslü etwa die gute Integrationspolitik in Ulm: "Wenn es in ganz Deutschland so wie hier wäre, hätten wir kaum Probleme." Ein älterer Zuhörer sagte: "Ulm ist mein Zuhause, hier lebe ich seit 60 Jahren, aber Schlesien ist meine Heimat. Denn man wird von der Umgebung geprägt."

Joukov betonte, Heimat sei ein Gefühl und nichts Statisches. Durch politische Veränderungen könne man auch die Heimat verlieren, ohne sie zu verlassen. So seien in Estland lebende Russen nicht mehr willkommen. Ein Zuhörer bezweifelte, dass es überhaupt noch eine Heimat gebe. Die Menschen zögen häufig um, seien mal in Deutschland, dann ein paar Jahre im Ausland. Die Besucher im Club Orange waren sich einig: Heimat hat für jeden Menschen eine andere Bedeutung. Das könne und dürfe kein dritter festlegen.


Erscheinungsdatum: Montag, 22.02.2008
Quelle: http://www.suedwest-aktiv.de/

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