Kommentar in der SÜDWEST PRESSE vom 15. Nov. 2006, S. 1
Auslese ohne Zukunft
Antje Berg
Drei Jahre lang haben Schüler in Deutschland
Zeit, sich zu beweisen. Im vierten Jahr, wenn sie gerade einmal einen
Aufsatz schreiben können und die Grundrechenarten kennen, fällt bereits
die erste wichtige Entscheidung für ihre Zukunft: Gymnasium, Realschule
oder Hauptschule - Gewinner oder Verlierer. Seit der ersten
Pisa-Studie stehen die frühe Auslese und das dazugehörende
Schubladen-System in der Kritik, weil beides dazu führt, dass der
Bildungserfolg hierzulande in skandalösem Maße von der sozialen Herkunft
abhängt. Vor allem Kinder aus schwachen Familien werden auf diese Weise um
ihre Entwicklungschancen gebracht.
Wie
gut, dass das alles kaum noch Zukunft hat. Das EU-Ratspapier, das jetzt
den Auslese-Mechanismus anprangert, ist dabei nur von untergeordneter
Bedeutung. Es sind die Fakten, die neue Schullandschaften schaffen werden.
Das Hauptschulsterben hat bereits begonnen - dort, wo es sich angesichts
rückläufiger Geburtenzahlen nicht mehr rechnet, drei Schularten
vorzuhalten. Selbst in Bayern wird inzwischen darüber nachgedacht, sich
vom dreigliedrigen Schulsystem zu trennen. Noch schöner, wenn
den wirtschaftlichen Notwendigkeiten eines Tages auch die Einsicht folgen
sollte: Dass es sich lohnt, Kinder intensiv zu fördern und länger als vier
Jahre miteinander lernen zu lassen, statt sie möglichst früh fein
säuberlich zu sortieren.
Erscheinungsdatum: Mittwoch, 15.11.2006 Quelle:
http://www.suedwest-aktiv.de/
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