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Presse-Mitteilungen und -spiegel

Artikel in der SÜDWEST PRESSE vom 22. März 2007, S. 1



JUSTIZ / Frankfurter Familienrichterin lässt misshandelte Ehefrau im Stich

Weil es der Koran so will?

Erst wurde sie von ihrem Mann geschlagen, dann ließ sie die Justiz im Stich. Mit Blick auf den Koran verharmloste eine deutsche Richterin die Misshandlung einer Frau.

ELISABETH ZOLL

Der Fall ist absurd: Eine 26-jährige Mutter zweier Kinder wird von ihrem Ehemann so geschlagen und bedroht, dass die Polizei den Gewalttäter aus der Wohnung verweist. Eine rasche Scheidung, die in Härtefällen auch während des Trennungsjahres möglich ist, lehnt eine Frankfurter Familienrichterin ab. Die Begründung: Täter und Opfer stammten aus dem muslimischen Kulturkreis, und dort sei es nicht unüblich, dass der Mann bei der Frau das Züchtigungsrecht ausübe. Die Gattin habe mit Gewalt rechnen müssen, als sie ihren in Marokko aufgewachsenen Mann geheiratet habe. Eine besondere Härte konnte die Juristin mit Bezug auf den Koran in den Schlägen nicht erkennen. Sind Misshandlungen weniger schlimm, nur weil andere Länder sie nicht bestrafen? Oder: Dürfen Gewalttäter in Deutschland mit Milde rechnen, nur weil sie aus einem Land stammen, dessen Regierung männlichen Machtanspruch sichert, selbst wenn dieser mit Gewalt ausgeübt wird? Bei Ehrenmorden sind Tätern vor deutschen Gerichten immer wieder mildernde Umstände eingeräumt worden - mit dem Verweis auf kulturelle Hintergründe.

Als skandalös empfindet das Christa Stolle, Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. "Es ist unglaublich, dass eine Richterin in Deutschland sich auf den Koran beruft." Ein in Deutschland lebendes Paar müsse nach deutschem Straf- und Familienrecht behandelt werden. Das sieht auch Professor Jan Schröder, Experte für Familienrecht an der Uni Tübingen, so: "Wenn deutsches Recht angewandt wird, dann sollten auch deutsche Rechts- und Kulturvorstellungen zu Grunde liegen."

Luise Becker, Theologin beim Zentrum für Islamische Frauenforschung in Köln, ist empört. "Seit wann hat der Koran hier legislative Geltung?" Wenn die Richterin schon kulturelle Differenzen empfinde, könne sie doch nicht auf irgendwelche Übersetzungen verweisen. Dann hätte sie ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag geben müssen. Das Zentrum hätte gern einen Beitrag dazu geleistet.

Die Richterin wurde auf Antrag der Frau vom Amtsgericht für befangen erklärt und abgezogen.


Erscheinungsdatum: Donnerstag, 22.03.2007
Quelle: http://www.suedwest-aktiv.de/

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