Artikel in der SÜDWEST PRESSE vom 20. April 2006, S. 20
BILDUNG / Neuer Orientierungsplan
Erwachsene sprechen zu wenig mit Kindern
Der neue
Orientierungsplan für Kindergärten enthält Bewährtes sowie neue
Perspektiven: Das Kind steht im Mittelpunkt, und die Eltern werden mit ins
Boot genommen.
CAROLIN STÜWE
Das Klischee sieht so aus: Eine Erzieherin
erklärt den Kindern im Monolog, was sie zu tun haben. Dann sind die
Kleinen für eine Weile beschäftigt. Deshalb sprach man in Kindergärten
bisher nur von Betreuung. Jetzt aber ist die Bildung ins Bewusstsein
gerückt. Die Erzieherin stellt "Impulsfragen als Denkanstöße und
Möglichkeiten des Austausches". Fazit: Das Kind erarbeitet sich selbst
Lösungen, forscht und lernt vor allem sprechen, erweitert seinen
Wortschatz. Wie die Kindergärten zu diesem Ziel gelangen, ist
ihnen neben wenigen Vorgaben weitgehend freigestellt. Deshalb spricht man
in Baden-Württemberg nicht vom Bildungsplan wie in vielen anderen
Bundesländern, sondern vom Orientierungsplan. Er lässt den Kindergärten
viel Freiheit und wird bereits in Ulm erprobt, bevor er von 2009 an für
alle Einrichtungen verbindlich wird (wir berichteten). Das Kind steht
weiter im Mittelpunkt, und die Erwachsenen sollen eine Orientierung
erhalten, wie sie die Bildungsprozesse ihrer Kinder optimal begleiten
können.
Deshalb
hatte die Deutsch-Türkische Gesellschaft Ulm jetzt über die Ulmer
Kindergärten Erzieherinnen und vor allem türkische Mütter eingeladen: zu
einem Informationsabend in die Ulmer Volkshochschule. Elisabeth
Sailer-Glaser von der städtischen Abteilung Kindertagesstätten
interpretierte die wichtigsten Punkte des neuen Plans. "Sehr stark
bewertet wird die Erziehungspartnerschaft zwischen Kindergarten und
Elternhaus", sagte sie. Denn hier gebe es oft unterschiedliche
Erwartungen. Weiter betonte sie, dass die Erwachsenen
generell noch zu wenig mit den Kindern sprechen. Bei diesem Problem seien
nicht nur die Eltern gefordert, sondern auch die Kindergärten. Dort aber
fehle es vor allem in den Gruppen mit viel Ausländerkindern an
Personal. 23 Zuhörer, darunter acht türkische Mitbürger,
hörten ihr zu, und zwei nahmen später die in Türkisch ausgelegten Thesen
des neuen Orientierungsplanes mit in "ihre" Kindergärten. Dies war
wenigstens ein Erfolgserlebnis für den stellvertretenden
Vereinsvorsitzenden Professor Friedrich Pieper: Es sei schwer, die
entsprechende Zielgruppe wie Eltern mit Migrationshintergrund zu
erreichen, klagte er. "Es ist eine gewisse Passivität
vorhanden."
Erscheinungsdatum: Donnerstag 20.04.2006 Quelle:
http://www.suedwest-aktiv.de/
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