home · Presse · SWP 08.09.2007
Presse-Mitteilungen und -spiegel

Leitartikel in der SÜDWEST PRESSE vom 8. September 2007, S. 17



Bildung: Gutes Zeugnis

Hans-Uli Thierer

Wer über Bildung redet, muss für eine breite Bildungsbasis sorgen. Dies ist die zentrale Botschaft aus allen einschlägigen Untersuchungen und internationalen Vergleichen der Bildungssysteme. In ihnen hat Deutschland in der Vergangenheit deshalb so miserabel abgeschnitten, weil hierzulande zwar alles gegen ein Drei-Klassen-Wahlrecht auf die Barrikaden ginge, das verstockte konservative Drei-Klassen-Schulsystem sich aber über alle Kritik hinweg bisher hartnäckig hält.

Dabei ist die frühe Sortierung von der Wissenschaft doch längst als das Grundübel ausgemacht. Denn sie teilt Kinder nach nur vier Schuljahren und im Alter von zehn ein in Dumme und Gescheite, in Aufgeweckte und Langsame, letztlich in Fabriklehrlinge und Studenten. Nirgendwo sonst in der westlichen Welt wird über Chancen von Kindern derart früh derart brutal entschieden. Dies erinnert an wilhelminische Zeiten, an die Ständegesellschaft, denn dieses Bildungswesen fördert den Standesdünkel. Es schützt die Kinder Privilegierter vor den Kindern armer Leute.

Nun ist es nicht Aufgabe der Städte Ulm und Neu-Ulm, diese Schulstrukturen der Chancen-Ungleichheit zu zerschlagen. Gefordert ist die Kultuspolitik, die bekanntlich Ländersache ist. Die Städte aber sind darin zu ermuntern, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen, dort für Ausgleich zu sorgen, wo sie es im Kleinen können.

Dies gilt um so mehr unter dem Eindruck dieser Woche, dass mitten unter uns ein paar radikale Islamisten bereit sind, Bomben zu bauen, was zu neuen Ausgrenzungen aller Muslime führen könnte. Dies wäre in der Konsequenz fatal auch für das Bildungswesen, denn das Gegenteil ist zu tun: Weil speziell Kinder von Ausländern, unter denen muslimische Türken die mit Abstand größte Gruppe bilden, die am stärksten Benachteiligten sind, müssen die Bemühungen um ihre Bildung zwangsläufig stärker werden. Dies verlangt außer der Vernunft auch die alte Tugend der Rücksichtnahme - in diesem Fall auf die Bedürfnisse von Kindern.

Es wäre vermessen zu glauben, in den Städten könnte das Schulsystem geschleift werden. Dass es längst sturmreif ist, zeigen indes die vom Land selber angestrengten Modellversuche mit Bildungshäusern, die ein Mittel sein sollen gegen die zu frühe Selektion. Zwei davon sind eingerichtet in Wiblingen und Gögglingen; dazu das von der Stadt selber initiierte Modell eines Konzepts an der Stifterschule, das die Grenzen zwischen Kindergarten, Schule und Jugendarbeit überwindet.

Jenseits solcher Versuche und neuer Ansätze ist beiden Städten und damit beiden Kommunalparlamenten zum Schuljahresbeginn ein gutes Zeugnis auszustellen. Anders als in anderen Städten sind die Listen für Schulrenovierungen und -erneuerungen zwar stattlich, aber überschaubar (siehe Seite 21). Ulm glänzt allerdings nicht nur mit den seit Jahren laufenden Maßnahmen der Bildungoffensive, es muss in mehreren Fällen schlicht auch der Not gehorchen. Neubauten und Renovierungen werden in etlichen Fällen notwendig, weil an mehreren Schulen zwei Serienbrandstifter wüteten.

Dennoch: Die Städte lassen sich ihre Schulkinder was kosten. Das ist gut so, denn in den Schulen liegt ein Schlüssel zur Zukunft dieser Region. Dies ist erkannt in den Rathäusern, so dass man das neue Schuljahr alles in allem gelassen beginnen kann.


Erscheinungsdatum: Samstag, 08.09.2007
Quelle: http://www.suedwest-aktiv.de/

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