Artikel in der SÜDWEST PRESSE vom 31. Oktober 2006, S. 15
KABARETT / Muhsin Omurca im Edwin-Scharff-Haus
Getürkte Deutsche
Im Scharff-Haus räsonierte
Kabarettist Muhsin Omurca über Beschneidung, Ehre und EU. Kurz: Über
alles, was an der Männlichkeit des Türken kratzt.
CHRISTINA MAYER
Zwei Sätze, und Muhsin Omurca ist schon unter
der Gürtellinie. Im Edwin-Scharff-Haus rührt der Kabarettist vor der
deutsch-türkischen Gesellschaft aus dem Stand heraus an der
empfindlichsten Stelle des Mannes: seinem Geschlecht. In medias res,
sozusagen. Ohne Umschweife zur Sache. Der Kabarettist
beschreibt gestenreich den Akt der Beschneidung, verlustiert sich im
Brimborium drumherum. Ausschweifend legt er dar, was ein Sechsjähriger bei
einer Beschneidungsfeier alles verliert: den Zugang zum Frauenbad, die
ganze innerfamiliäre Aufmerksamkeit und eine Winzigkeit von zwei Gramm.
Schaaade mit Augenrollen.
Muhsin
Omurca macht Kabarett mit dem ganzen Körper und im Sauseschritt. Solche
kindlichen Erlebnisberichte bringt der quirlige Solist nicht deutsch
verschämt, sondern so, wie man sich eine türkische Familie bei der
großfamiliären Pimmelbewunderung vorstellt: direkt und geradezu
zupackend. Der in Bursa/Türkei geborene Kleinkunstpreisträger
nimmt kein Blatt vor den Mund und die türkische Gesellschaft auf die
Schippe. Da geht es um die Brustbehaarung des Türken, die als Pulli im
deutschen Bioladen landet. Da imitiert er breitbeinig das
Männlichkeitsgehabe mit Kettchen und Handy, erzählt vom Dauerstress, ein
richtiger Macker zu sein. Imagefeindliche, an der Ehre kratzende
Schnitzer, wie das eigenhändige Tragen von Einkaufstüten, dürften einem
türkischen Mann nicht mehr passieren. "Die EUmanen kommen"
heißt das neue Programm, und neben den Familiengeschichten von
Verheiratung und Sprachkursbesuchen konnte man einen Anflug von Politik
vernehmen. Türken wollten doch glatt in die EU, ereifert sich Omurca. Sie
hätten sozusagen schon einen Fuß drin, und die Deutschen befürchteten eine
Türkenflut, karikierte Omurca die Angst vor Überfremdung. Dabei seien die
meisten Türken bereits staatliche geprüfte Deutsche, er übrigens auch. Als
solchermaßen "bewusster" Türke oder auch "getürkter Deutscher" müsse man
sich doch glatt für seine deutsche Vergangenheit
rechtfertigen. Ja, das war zum Schmunzeln. Manchmal auch zum
Lachen. Viagra, Pimmel & Co ziehen immer, wenn auch nicht den letzten
Mundwinkel noch nach oben. Und wie er begann, so endete der
Klischeeklamauk auch: mit türkengerechten Kondomen. Die seien übrigens
beschnitten. Auuuaaa.
Erscheinungsdatum: Dienstag 31.10.2006 Quelle:
http://www.suedwest-aktiv.de/
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